Höllentrieb Abgründe

„Ich hatte mich nicht unter Kontrolle“, gestand Jolina.
„Das habe ich gemerkt.“ Daman machte eine Pause. „Was ist das da in dir?“ Als sie nicht antwortete, drehte er seinen Kopf und sah sie durch die Flammen hindurch an. In den silbernen Augen zuckten orangefarbene Lichter. „Wie gefährlich bist du wirklich?“
Jolina öffnete den Mund, um zu protestieren, und schloss ihn wieder. Sie wusste es nicht. Hatte keine Ahnung, wie weit die Bestie in ihr gehen könnte. „Bis vor kurzem war ich davon überzeugt, alles unter Kontrolle zu haben. Man hatte uns darauf trainiert, die … Bestien zu unterdrücken.“
„Warum?!“, fragte er mit solcher Verwunderung, dass sie aufsah.
„Ist das nicht offensichtlich?“
„Weil eure Bestien gefährlich sind? Aber man kann etwas nicht kontrollieren, indem man es einsperrt.“ Er beugte sich zu ihr, wirkte plötzlich aufgebracht. „Was für ein Schwachsinn ist das?! Jeder von uns trägt etwas Dunkles in sich. Man muss begreifen, damit umzugehen! Muss es kennenlernen und verstehen!“ Er schüttelte den Kopf. „Das ist ja genauso bescheuert, als würde ich zwei Welten mittels Tor voneinander trennen, weil ich keinen Bock darauf hab, mich mit den Schwierigkeiten rumzuschlagen.“ Jolina betrachtete ihn mit Erstaunen und wusste nicht, was sie antworten konnte. Er verstand die Welt, wie sie es nie getan hatte. „Ich kenne den bösen Teil in mir“, fuhr er fort. „Ich weiß, was ihn auslöst und womit ich ihn besänftige! Es ist nicht immer einfach. Aber deswegen laufe ich noch lange nicht Gefahr, jemanden aus Versehen umzubringen!“
„Was war vorhin? Mit mir?“
Sein Gesicht zeigte Resignation. „Jaaa.“ Er runzelte die Stirn und blickte ins Feuer. „Jeder hat ’ne Schwachstelle.“
„Ich bin deine Schwachstelle?“, fragte Jolina mit hochgezogenen Augenbrauen. „Was für ein schöner Kosename.“
„Nicht wahr?“ Er grinste. „Aber du bist ’ne süße Schwachstelle. Mit dir gehe ich gern bis an meine Grenzen.“
„Spielt es denn keine Rolle, was ich davon halte?“, fragte sie empört.
Daman gab ein dreckiges Lachen von sich. „Was du davon hältst, habe ich vorhin sehr deutlich gesehen.“
„Denkst du wirklich, es wäre ratsam, unsere Grenzen beim jeweils anderen auszutesten?“
Der Sator verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln und schwelgte ein paar Sekunden summend in dieser Vorstellung. „Sicher nicht ratsam. Zumal ich erst merke, dass du mich umbringst, wenn es zu spät ist.“ Er musterte sie von oben bis unten. „Aber schön wär’s.“
Sie hielt seinem aufreizenden Blick stand. Anscheinend stellten sich beide in diesem Moment vor, miteinander zu schlafen. Jolinas Puls beschleunigte sich. „Ich will dich nicht töten“, sagte sie ohne ein verräterisches Grinsen.
„Na das ist doch ein Anfang“, lachte er.

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